Von der Mietskaserne zum Niedrigenergiehaus

Impulse für den Berliner Wohnungsmarkt

Die energieeffiziente Sanierung von Wohngebäuden auf Niedrigenergiehausstandard kann ein wirtschaftliches Zukunftsmodell auch für private Immobilienbesitzer sein. Dies zeigt ein Projekt in Berlin-Treptow, wo gerade eine 100 Jahre alte Mietskaserne auf den Standard eines Niedrigenergiehauses gebracht wird.

In Anbindung an das Projekt „Niedrigenergiehaus im Bestand“ der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) führt eine Gemeinschaft von drei privaten Eigentümern die Sanierung durch. Dabei sind die energetischen Ziele beachtlich: Um runde drei Viertel soll der Energiebedarf gesenkt werden. Damit soll der Rahmen des dena-Vorhabens eingehalten werden, nach dem die sanierten Gebäude die Anforderungen für Neubauten um mindestens 30 % unterbieten müssen. Die aktuelle Förderphase – Antragsschluss ist der 30. November – sieht sogar eine Unterschreitung von 50 % der EnEV-Anforderungen vor.

Bemerkenswert am Treptower Projekt sind aber nicht nur die energetischen Zielsetzungen. Das Gebäude wird in teilbewohntem Zustand saniert – ein Unterfangen, das viele Eigentümer wegen der hohen Belastungen für die Mieter scheuen. In Treptow hingegen setzt man auf offensive Kommunikation mit den Mietern: Direkte Ansprache und die Abstimmung des Sanierungsverlaufs mit den individuellen Zeitplänen und geplanten Urlauben gehören ebenso zum Instrumentarium wie ein Kummerkasten im Hausflur, der aber erstaunlich wenig genutzt wird.

  • Gebäudedaten
  • Altbau, Mietwohnhaus, Baujahr 1907
  • klassischer Mauerwerksbau, weitgehend typisiert
  • Vorderhaus und Seitenflügel
  • 17 Wohnungen 50...95 m2, unsaniert
  • 15 Wohnungen mit Öfen, 2 mit Gasetagenheizung
  • typischer Einzeleigentümer- Streubesitz
  • ca. 60 % der Wohnfläche vermietet, kein Denkmalschutz
  • Dachgeschossausbau mit 2 zusätzlichen Wohnungen
  • vermietbare Wohnfläche nach Sanierung und Dachausbau: 1.312 m2


Technisches Sanierungskonzept

Die Fassade wird – mit Ausnahme der an die Nachbargebäude angrenzenden Brandschutz-Überschlagszonen, welche gemäß Bauordnung mineralisch zu dämmen sind – mit dem Hochleistungsdämmstoff Neopor in 12 cm Stärke gedämmt. Hier wird eine Polystyrol-Hartschaumplatte mit der Wärmeleitstufe WLS 032 eingesetzt.

Besonderes Augenmerk wird dabei auf die konstruktive Vermeidung von Wärmebrücken sowie die Sanierung vorhandener Wärmebrücken gelegt. Dies ist etwa bei der Behandlung vorhandener Balkone und der Herstellung der An- und Abschlüsse der Dämmungen sowie im Dachbereich von Bedeutung.

Sämtliche, zum Teil noch aus der Erbauungszeit des Gebäudes stammenden und überwiegend mangelhaft unterhaltenen Fenster werden durch neue Fenster mit Wärmeschutzverglasung ersetzt, welche außenbündig mit der Fassade eingebaut werden. Auch in den Treppenhäusern werden die vorhandenen Einfachfenster durch solche mit Wärmeschutzverglasung ersetzt. Während der Bauphase wird die Luftdichtigkeit mittels Blower-Door-Tests kontrolliert.

Die Energieversorgung erfolgt mittels Fernwärmeanschluss an das Fernwärmenetz von Vattenfall. Darüber hinaus wird ein Lüftungssystem mit Abwärme- Rückgewinnung eingebaut. Die hier erfasste Abluft wird im Heizungskeller gebündelt, was den Einsatz einer Wärmepumpe zur Rückgewinnung von Abluftwärme ermöglicht.

Des Weiteren wird auf der Steildachfläche des Seitenflügels ein Solarkollektor als „In-Dach- Lösung“ eingebaut, welcher auf den sommerlichen Warmwasserbedarf ausgelegt wird.

Grundsätzlich werden im Projekt nur am Markt verfügbare Standardtechnologien eingesetzt, die sich seit längerem in der Praxis bewährt haben. Dennoch stellt die Bauausführung besondere Anforderungen. So meint Bauleiter Dirk Schünemann (Firma Holzbär): „Ein Bauprojekt, das eine Mietskaserne sicher auf Niedrigenergiehausniveau bringen soll, bedarf der fortlaufenden gründlichen Qualitätskontrolle durch einen Profi.“

Nach Ende der Sanierungsarbeiten soll der Bau einen Primärenergiebedarf von unter 40 kWh/ m2a haben. Vor Beginn der Maßnahmen waren es immerhin rund 250 kWh/m2a.Dies wäre eine Reduzierung um ca. 80 %, die mit einer CO2-Einsparung von insgesamt knapp 130 Tonnen im Jahr einhergeht. Dies sind sicherlich noch vorläufige Berechnungen. Genaueres wird auch bei diesem Projekt die Auswertung der ersten Heizperioden bringen.

Modell für den Berliner Wohnungsmarkt?

Im Ergebnis bleibt bereits jetzt festzuhalten, dass es technisch und wirtschaftlich darstellbar ist, Gründerzeitaltbauten auf Niedrigenergieniveau zu bringen. Und dies zu Mieten, die sich im Bereich des Mietspiegels bewegen. Das Projekt ist damit auch deshalb von Bedeutung, weil es beispielgebend für große Teile des Berliner Gebäudebestandes und darüber hinaus sein kann. Dies auch, weil ein Großteil des zwischen ca. 1880 und 1914 entstandenen Gebäudebestandes in Berlin schon in der Zeit ihrer Erbauung weitgehend typisiert und standardisiert errichtet wurden. Diese – allgemein als „Altbaubestand“ bezeichneten – Gebäude haben in Berlin mehr als 500.000 Wohnungen und machen damit mehr als ein Viertel des Wohnungsbestandes der Hauptstadt aus.

Die Berliner Umweltsenatorin Katrin Lompscher jedenfalls lobte das Vorhaben ausdrücklich bei ihrem Besuch des Richtfestes: „Es ist ein überaus gelungenes Beispiel, das gerade für die vielen in privatem Besitz befindlichen Berliner Mietshäuser aufzeigt, wie sich „Tradition und Moderne“ mit den Erfordernissen des Klimaschutzes unter sozialverträglichen Bedingungen realisieren lassen.“

Bleibt die Frage, ob solche Gebäude auf dem Berliner Wohnungsmarkt angenommen werden. Die Aussagen, es gäbe infolge geringen Mieterinteresses keinen Markt für energieeffiziente Wohnungen, sind mit dem Projekt eigentlich widerlegt. Ganz im Gegenteil: Bauherr Dr. Hemmen berichtet davon, dass, seitdem das Bauschild auf die besondere energetische Qualität hinweist, täglich mindestens fünf Interessenten spontan auf die Baustelle kommen und Wohnungen mieten wollen. Die freien Wohnungen waren lange vor Abschluss der Bauarbeiten vermietet und es wurde eine Warteliste angelegt.

Ähnliches berichtet Steven Uckermann, der sich ebenfalls auf energieeffizientes Sanieren von Mehrfamilienhäusern spezialisiert hat. Auch er ist Teilnehmer des Modellvorhabens „Niedrigenergiehaus im Bestand“ der dena. In den von ihm realisierten Projekten liege die Warmmiete teilweise sogar höher als in der unmittelbaren Umgebung. Aber: Seine Mieter schätzen nach eigenen Aussagen die Sicherheit, die ihnen ein Niedrigenergiehaus gegenüber künftigen Energiepreissteigerungen bietet.

So wurden alle seine Wohnungen kurzfristig vermietet oder verkauft. Diese wenigen Beispiele deuten an, dass gerade in Berlin, wo wir einen Überhang an freien Wohnungen haben, Energieeffizienz zu einem echten Vermietungskriterium wird.

Dies sieht auch Bauherr Dr. Hemmen so: „Ich halte nur Gebäude mit einem guten Energiestandard für dauerhaft zu wirtschaftlichen Konditionen vermietbar.“

Noch drastischer formuliert es Dieter Blümmel, der als Vertreter von Haus & Grund Berlin zu den profundesten Kennern des Berliner Wohnungsmarktes zählt. Er wird in der Berliner Tagespresse mit der Aussage zitiert: „Wer sich dem Thema Energie nicht widmet, wird vom Markt gefegt!“

 

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Quelle: http://www.berliner-impulse.de
Mit freundlicher Genehmigung von ???

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