Natürlich warm

Von Bernd Lothringer

Zwischen zwanzig und dreißig Millionen Kubikmeter Dämmstoffmaterial werden nach Angaben des Bauzentrums München jährlich in Deutschland verbaut. Mit einem Marktanteil von gut siebzig Prozent führen Mineralwolle und Polystyrol die Hitliste der Dämmstoffe an. Naturverbände sehen diese Entwicklung indes kritisch. „Denkt man an den vielen Sondermüll, der eines Tages produziert wird, kann man schon Bauchschmerzen kriegen“, sagt etwa Ulf Sieberg vom Naturschutzbund Deutschland. Darüber hinaus sei bereits die Produk- tion der Stoffe mit erheblichen Umweltbelastungen verbunden.

Nachwachsende, organisch-natürliche Dämmmaterialien wie Zellulose, Hanf , Flachs oder Schilfrohr stellen eine ökologisch sinnvolle Alternative dar. Doch davon machen bislang nur wenige Bauherren Gebrauch. „Organisch-natürliche Dämmstoffe haben derzeit nur einen Marktanteil von sieben Prozent“, sagt René Görnhardt von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe . Zwar seien Angebot und Nachfrage steigend, doch behinderten noch immer Vorurteile und höhere Preise die Marktfähigkeit dieser Produkte.

Eine Annahme, die Architekt Volker Schelzel in der Praxis bestätigt sieht: Für seine Auftraggeber kommen Alternativen zur Mineralwolle nur selten infrage, weil ihnen der Makel anhaftet, erheblich teurer zu sein: „Wenn das Portemonnaie drückt , schweigt das ökologische Gewissen schnell“, meint Schelzel. 

Anbieter ökologischer Dämmstoffe bemühen sich deshalb seit Jahren um Kostensenkung. So auch der Berliner Betrieb HOLZBÄR, der über eine mangelnde Nachfrage nicht mehr klagen kann, seitdem die Preise purzeln: „Anfang der 90er-Jahre war die ökologische Dämmung ein Nischenprodukt, für das entsprechende Preise aufgerufen werden mussten“, sagt Dirk Schünemann, Inhaber des Kreuzberger Unternehmens. „Gerade Zellulose lässt sich heute jedoch so kostengünstig produzieren, dass sie selbst gegenüber Mineralwolle konkurrenzfähig ist.“ Hanf, Flachs oder Schilfrohrplatten seien dagegen immer noch eher Luxusware. Ist die Preisfrage allerdings ausgeräumt, seien die weiteren Vorteile der ökologischen Dämmung leicht zu vermitteln und Vorurteile schnell ausgeräumt . Wie zum Beispiel jenes vom schlechteren Wärmedämmwert natürlich gewachsener Rohstoffe: „Der Dämmwert von Zellulose lässt s ich zum Beispiel sehr einfach auf das Niveau von synthetischen Materialien bringen, indem man eine etwa zwei Zentimeter höhere Aufbauhöhe wählt“, sagt Schünemann. Zusätzliche Arbeitskosten entstünden dem Bauherren deshalb nicht, nur das Extramaterial müsse natürlich bezahlt werden.

Nutzerverhalten berücksichtigen

Garantiert d ie Verwendung nachwachsender Dämmstoffe also e in gutes ökologisches Gewissen? „Nein. Der große Unsicherheitsfaktor bleibt der Mensch“, sagt Dirk Schünemann. Denn ob organisch oder synthetisch, Zellulose oder Styropor, wenn der Einbau nicht sachgerecht ausgeführt und regelmäßig kontrolliert wird, kommt es zu Problemen wie Schimmelbildung und Wärmeverlust – im schlimmsten Fall ist bereits nach kurzer Zeit eine kostenaufwendige Kompletterneuerung notwendig. Die Wahl der richtigen Dienstleister sei daher das A und O. Ebenso wichtig sei es, die Dämmung nicht isoliert zu betrachten. „Wer den Motor seines Autos frisiert, aber nicht die entsprechenden Reifen hat, wird keine Geschwindigkeitsrekorde erzielen. Wer über die Dämmung der Wände nachdenkt , muss Heizung , Dach und Boden miteinbeziehen“, sagt Dirk Schünemann

Auch Ulf Sieberg vom Nabu empfiehlt Bauherren, sich gerade im Vorfeld einer Sanierung Gedanken über das Nutzerverhalten, die Bausubstanz und den Energiebedarf zu machen. „Die Sanierung eines Fachwerkhauses gehorcht anderen Gesetzen als die eines Plattenbaus, ein gebäudeindividueller Sanierungsfahrplan ist deshalb das oberste Gebot“, meint Sieberg. Leider zeigten sich klassische Energieberater von derartigen Anfragen meist überfordert. Gespräche mit Verbänden, Anbietern und viel Eigeninitiative seien also ebenso nötig wie ein Blick auf die sich ständig wandelnde Gesetzeslage. Nur wenn alles zusammenpasst, entlastet die neue Dämmung langfristig nicht nur den Geldbeutel, sondern auch das grüne Gewissen.

Quelle: Berliner Zeitung, 10 Woche 2012
Fotos: Dirk Schünemann

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